2012/06/07

Bundespressekonferenz - Jugendamt - Nach wie vor werden in Deutschland durchschnittlich jede Woche 3 Kinder getötet. Hieran wird deutlich, dass das Jugendhilfesystem nicht in der Lage ist, Kinder ausreichend zu schützen

Keine Entwarnung bei Gewaltdelikten gegen Kinder – klare Signale für erheblichen Reformbedarf

29.05.2012






Die Deutsche Kinderhilfe hat heute die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2011 zu kindlichen Gewaltopfern vorgestellt. In der Bundespressekonferenz erläuterte der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke, dass im Jahr 2011 146 Kinder getötet und weitere 72 Kinder Opfer eines versuchten Mordes oder Totschlags wurden. Die in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Fälle körperlicher Misshandlung von Kindern sind im vergangenen Jahr um 6% von 4.367 auf 4.096 gesunken. Ein Anstieg um 4,8% auf 12.444 Fälle ist bei sexuellem Missbrauch von Kindern sowie bei Besitz/Verschaffen von Kinderpornographie um 23% auf 3.896 Fälle zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass in den Bereichen Kindesmisshandlung, Missbrauch von Kindern und Kinderpornographie von einem großen Dunkelfeld ausgegangen werden muss. 


„Täglich 11 misshandelte und 39 sexuell missbrauchte Kinder sowie 17 Fälle der Kinderpornographie sind eine erschreckende Bilanz. Jeder einzelne Fall, jedes betroffene Kind ist eines zu viel. Der Schutz von Kindern vor Gewalt und Missbrauch darf angesichts der zunehmenden Digitalisierung und Internationalisierung der Tatbegehung nicht auf rechtliche oder nationale Grenzen stoßen. Unser Ziel muss es sein, Gewalt und Misshandlungen an Kindern frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Neben einer konsequenten Strafverfolgung auf nationaler und internationaler Ebene sind daher auch die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe gefordert“, so Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes.

Nach wie vor werden in Deutschland durchschnittlich jede Woche 3 Kinder getötet. Hieran wird deutlich, dass das Jugendhilfesystem nicht in der Lage ist, Kinder ausreichend zu schützen. Ohne einheitliche Fach- und Diagnosestandards, eine aktive und verbindliche Einbindung von Schulen und Kinderärzten in die Jugendhilfe wird sich auch in Zukunft wenig ändern. Da 600 Jugendämter unterschiedlich arbeiten und ihre finanzielle Ausstattung von der Kassenlage der jeweiligen Kommune abhängt, sind die Überlebenschancen eines Kindes je nach Wohnort unterschiedlich. 

Die tragischen und vermeidbaren Todesfälle von Chantal in Hamburg und Zoe in Berlin zu Beginn dieses Jahres sind keine bedauerlichen Einzelfälle. Sie stehen stellvertretend für die zu vielen Kinder, die im Jugendhilfesystem zu Tode kommen. Da die Politik beim Bundeskinderschutzgesetz den Finanzinteressen der Länder und Kommunen sowie den Systemschützern der Verbände nachgegeben hat, besteht die Strukturkrise weiter – wie hoch der Preis ist, belegen die heute vorgestellten Zahlen“, so Georg Ehrmann, Vorsitzender der Deutschen Kinderhilfe.
Alarmierend auch, dass nach den großen Missbrauchsskandalen des Jahres 2010 die Zahlen im Bereich sexueller Gewalt gegen Kinder weiter ansteigen. „Die deutlich höhere Zahl der Opfer sexuellen Missbrauchs ist eines der bedrückendsten Ergebnisse. Ohne verstärkte Präventionsarbeit sind jedoch keine Erfolge zu erzielen. Weder der runde Tisch noch der Gesetzgeber konnten sich dazu durchringen, für ehrenamtliche Trainer und Betreuer ein erweitertes Führungszeugnis einzuführen, Anbieter von Ferienfreizeiten haben kein Pflicht, qualifiziertes Personal einzusetzen und immer wieder erleben wir in der Praxis Jugendämter, Schulen und Vereine, die sich weigern mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten,“ so André Schulz, Vorsitzender des BDK. 

Auf ein „Weiter so“ bei den vielen kindlichen Opfern von Gewaltdelikten darf die Politik nicht setzen. Nur eine konsequente Reform des Jugendhilfesystems kann die heute vorgestellten Zahlen senken. Die Deutsche Kinderhilfe und der Bund Deutscher Kriminalbeamter haben mit zahlreichen Verbänden und Experten in einer Gemeinsamen Erklärung die Reformbedürftigkeit des Jugendhilfesystems festgestellt: Es bedarf eines klaren gesellschaftlichen Signals für mehr Kinderschutz in Deutschland. 


Für Rückfragen und Informationen steht Ihnen der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe Georg Ehrmann unter 0160 3645685 zur Verfügung.
Die elektronische Pressemappe können Sie hier herunterladen.

Bildunterschrift: Georg Ehrmann, Jörg Ziercke und Prof. Kathinka Beckmann bei der Vorstellung und Auswertung der Zahlen kindlicher Gewaltopfer aus dem Jahr 2011

Pressekontakt:
Deutsche Kinderhilfe e.V.
Julia M. Hofmann
Vorstandssprecherin
Tel.: 030/24 34 29 40
Fax: 030/24 34 29 49
Mobil: 0171 405 17 19
presse@kinderhilfe.de
www.kinderhilfe.de.

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