2013/12/31

Rechtswidrige Heimunterbringungen mittels ungesetzlicher Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf das Jugendamt

Nach Mitteilung von anwaltlichen Bevollmächtigten existiert eine besorgniserregende Rechtsunkenntnis bei FamilienrichterInnen bezüglich der notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen zum Entzug des Sorgerechtes und eine vollständige Trennung der Kinder von ihren Eltern.


1. Gesetzes- und verfassungswidrige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes zum Zwecke der (vorläufigen) Heimunterbringung 
 
Gesetzes- und rechtswidrig ist insbesondere die in einigen Familiengerichten übliche Praxis bei Jugendamtsanträgen gem. § 1666 BGB ohne Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1666 BGB und vor Prüfung von milderen Maßnahmen gem. § 1666 a (= Hilfen zur Erziehung)  das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf das Jugendamt zu übertragen und die Kinder, ohne dass eine bereits eingetretene Kindeswohlgefährdung  nachgewiesen wäre, unter Belassung des Sorgerechtes von den Eltern zu trennen.

Der Gesetzgeber hat in den Gesetzgebungsmaterialien (= Bundestagsdrucksachen und Stellungnahmen von Fachexperten)  mehrfach deutlich gemacht, dass eine Trennung eines Kindes von den Eltern der schwerste denkbare Eingriff in das grundrechtlich geschützte Elternrecht darstelle. Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls bereits zahlreiche Gerichtsbeschlüsse wegen Missachtung des in diesem Grundsatz enthaltenen schweren Grundrechtseingriffes und der Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgebotes aufgehoben.

Obwohl der Gesetzgeber klare Tatbestandsvoraussetzungen für einen solchen schweren Eingriff  formuliert und ausdrücklich darauf hingewiesen hat,  dass vor einem Sorgerechtsentzug und vor der Trennung der Kinder von den Eltern eine Kindeswohlgefährdung bereits eingetreten sein , bzw. objektiv nachgewiesen sein muss, stellen Rechtsanwälte und Beistände vielfach fest, dass auch ohne eine bereits eingetretene Kindeswohlgefährdung rein vorsorglich Kinder fremd untergebracht werden.

Die Praxis der Familiengerichte, das Sorgerecht gesetzeskonform wegen Fehlens der Tatbestandsvoraussetzungen gem. § 1666 a BGB nicht zu entziehen, jedoch mit Hilfe der unzulässigen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf das Jugendamt einen "kalten" Sorgerechtsentzug durchzuführen, erfolgt rechtswidrig. Es existiert auch keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage wonach das Aufenthaltsbestimmungsrecht, welches zum Kernbestandteil des elterlichen Sorgerechts zählt, isoliert auf das Jugendamt übertragen werden kann. Das elterliche Sorgerecht ist in diesem Sinne nicht aufteilbar.

Auch das Jugendamt handelt gesetzes- und rechtswidrig, wenn dieses aus der rechtswidrigen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes das Recht gewissermaßen zur "Gefangennahme" der Kinder und als Recht zur zwangsweisen Unterbringung der Kinder missbraucht.

Solange das elterliche Sorgerecht bei den Eltern liegt, haben diese nach dem Willen des Gesetzgebers nämlich das ausschließliche Recht und auch die Pflicht ihre Kinder zu "pflegen" und zu "erziehen". Um Kinder pflegen und erziehen zu können muss selbstverständlich  auch die reale Möglichkeit dazu bestehen.

Denn: Für die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes bei bestehendem elterlichen Sorgerecht fehlt es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage:



Nach dem Willen des Gesetzgebers beinhält die elterliche Sorge das Recht und die Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder der Sorgeberechtigten. (vgl. Bt.-Drs, 13/4899, Seite 30 ff.)

Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf das Jugendamt, verbunden mit der Trennung der Kinder von den Sorgeberechtigten,  ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht möglich, denn das Recht der Personensorge beinhaltet nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch das Recht der Personensorgeberechtigten den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen:



Vgl. dazu die Feststellungen des Gesetzgebers in der Bundestagsdrucksache 13/4899 auf Seite 30, Zitat:

„Die Personensorge umfaßt insbesondere das Recht und die Pflicht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen (§ 1631 Abs. 1 BGB).



Es versteht sich somit von selbst, dass für die isolierte Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf das Jugendamt nach dem Willen des Gesetzgebers keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage existiert.



Eine andere gesetzliche Regelung wäre auch nicht sinnvoll. Die teilweise verbreitete gerichtliche Praxis das Aufenthaltsbestimmungsrecht, welches zugleich wesentlicher Bestandteil der Wahrnehmung der elterlichen Sorge ist, auf das Jugendamt unter Belassung des elterlichen Sorgerechts zu übertragen, erfolgt daher sowohl gesetzes- als auch rechtswidrig und verletzt das Elternrecht aus Art. 6 Grundgesetz.



Die ebenfalls bei Familiengerichten teilweise übliche Praxis neben dem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechtes den Eltern ihr Antragsrecht für Hilfen zur Erziehung

§ 27 SGB I, § 34 SGB I, § 40, § 53 SGB I im Zuge eines Teilsorgerechtsentzuges zu entziehen ist ebenfalls gesetzeswidrig. Denn das Recht zur Antragstellung für Hilfen zur Erziehung steht alleine den Personensorgeberechtigten zu, es ist ein sog. "persönliches" und damit nicht übertragbares Recht.
Die leider häufig vorkommende Praxis von FamilienrichterInnen, dem Jugendamt - ohne Übertragung der Personensorge auf das Jugendamt - das Antragsrecht für Hilfen zur Erziehung zu übertragen trägt dazu bei, dass die Gefahr der Verschwendung öffentlicher Gelder und der Korruption besteht:


1. Jugendämter sind zuständig für die Genehmigung der freien Hilfeträger2. Jugendämter nehmen sich das Recht (entgegen § 5 SGB VIII) heraus, selbst die freien Träger auszuwählen.3. Jugendämter werden von der Justiz bevollmächtigt, die zuvor genehmigten Hilfeträger nach eigenem Belieben auszusuchen 

Damit wird der Bock zum Gärtner gemacht und es verwundert nicht, wenn immer wieder gemutmaßt wird, dass die offenkundigen engen Koalitionen zwischen Heimen und Jugendämtern nicht nur "kindeswohlorientierte", sondern vielmehr "finanzorientierte" Beziehungen darstellen.
Nicht ohne Grund kursieren auch Spekulationen darüber, dass auch die Justiz "Opfer" einer eher "finanzorientierten", statt "kindeswohlorientierten" Entscheidungstendenz sei.
Der Gesetzgeber hatte gerade zur Vermeidung einer solchen Konstellation ursprünglich einige "Sicherungen" eingebaut, welche verhindern sollten, dass JugendamtsmitarbeiterInnen über die Bestellung und Beauftragung von freien Trägern ohne jegliche Kontrolle und in Alleinherrschaft verfügen können.
Leider werden auch diese Sicherungen von Jugendämtern und FamilienrichterInnen, trotz ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften häufig ignoriert:

  • 1. Wunsch- und Wahlrecht gemäß § 5 SGB VIII
  • 2. Vorrang Verwandtenvormund vor Jugendamtsvormund (BVerfG, 1 BvR 2604/06 vom 18.12.2008, Absatz-Nr. (1 - 36), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20081218_1bvr260406.html
    Bei der Bestellung eines Vormunds für das Kind D. wird - unter Beachtung des Kindeswohls - der Wille der Eltern ebenso zu beachten sein wie die nahe Verwandtenstellung der Beschwerdeführer zu ihrem Enkelin)
  • 3. Vorrang Privatvormund vor Jugendamtsvormund (§ 1791b BGB)


Im Fall des Jugendamtes Bad Neuenahr-Ahrweiler genehmigt das Jugendamt als Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde ihrer freien Träger die Kosten für die Heimunterbringung in einem Kinderheim, in welchem man seine eigenen Kinder nicht  unterbringen würde.   (vgl.Montag, 23. September 2013:Fall Jugendamt Bad Neuenahr und der große Unterschied zwischen Kindeswohlgefährdung im Heim und Elternhaus)
Richter Becker vom  Amtsgericht Trier - hat in Kenntnis der o.g. Ausführungen - dennoch zwischenzeitlich per Gerichtsbeschluss diese Form der rechtswidrigen "Ergänzungspflegschaft" bestätigt ! und schickt die beiden Kinder - nachdem diese bereits 8 Wochen lang in ihrer Grundschule in Kempten integriert worden waren und mit Unterstützung ihres Großvaters gut betreut werden  - wieder zurück in das Kinderheim bei Trier (Montag, 23. September 2013:Fall Jugendamt Bad Neuenahr und der große Unterschied zwischen Kindeswohlgefährdung im Heim und Elternhaus). 
Die Mutter hat dabei immer noch das Sorgerecht



Eine Heimunterbringung bei bestehendem elterlichem Sorgerecht stellt eine Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 SGB VIII dar und ist zugleich eine nicht übertragbare Sozialleistung, welche nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich den Personensorgeberechtigten zusteht.



Der Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler bezahlt  die Heimunterbringung, ohne dass die Beschwerdeführerin hierfür einen Antrag gemäß §§ 27 ff. überhaupt gestellt hätte. Das Jugendamt Bad Neuenahr-Ahrweiler verfügt aus Sicht juristischer Fachexperten ohne Rechtsgrundlage über öffentliche Finanzmittel.



Vgl. dazu Frankfurter Kommentar zum SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfercht, § 27, Rn. 13:

Die Gewährung von Hilfen zur Erziehung setzt in jedem Fall das Einverständnis der Personensorgeberechtigten voraus, da die Annahme von Sozialleistungen stets zur Disposition des Anspruchsberechtigten steht (OVG NW 12.09.2002 – 12 A 4352/01 – ZfJ 2003, 152, dazu Tammen UJ 2004,90 ff.)




Originalzitate aus den Bundestagsdrucksachen zum Thema:

Bt.-Drs.: 16/6815 Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdung = Seite 14 

Zitat


Die Trennung eines Kindes von seiner Familie ist der stärkste Eingriff in die Rechte der Erziehungsberechtigten und kommt daher nur in besonders schwerwiegenden Fällen in Betracht. Sie ist nur zu rechtfertigen bei Versagen von Er- ziehungsberechtigten in Form von schwerwiegendem Fehl- verhalten und bei einer erheblichen Gefährdung des Kindes- wohls oder bei einer drohenden Verwahrlosung des Kindes, die auch Ausdruck in schwerwiegenden Straftaten finden kann (BVerfGE 107, 104, 118 f.). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Schutz des Kindes vor Gefährdungen sei- nes Wohls primär den Eltern überantwortet ist. Fallen diese jedoch in ihrer Schutzfunktion aus, weil sie nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, muss dieser Schutz vom Staat gewährleistet werden. Innerhalb des § 1666 Abs. 1 BGB ist der maßgebliche Anknüpfungs- punkt für die verfassungsrechtlich gebotene Prüfung des el- terlichen Versagens, dass „die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden“. Damit ist nicht nur klargestellt, dass den Eltern der Vorrang bei der Gefahr- abwendung zukommt und die familienunterstützende Hilfs- pflicht des Staates nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit Vorrang hat. Vielmehr ist auch klargestellt, dass der eigentliche Vorwurf des elterlichen Versagens darin besteht, dass die Eltern in Anbetracht der Gefährdung ihres Kindes ihre Schutzfunktion nicht erfüllen. Um sprachlich stärker zu verdeutlichen, dass es sich um eine echte Tatbestandsvoraussetzung handelt, soll die Sub- sidiaritätsklausel redaktionell neu gefasst werden. 




ANHANG – Zitat aus der Bundestagsdrucksache 13/4899 zur Definition der elterlichen Sorge.



Seite 30:

Il. Elterliche Sorge

1. Allgemeines

§ 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB definiert die elterliche

Sorge als das Recht und die Pflicht des Vaters und

der Mutter, für das minderjährige Kind zu sorgen.

Nach Satz 2 umfaßt die elterliche Sorge die Sorge für

die Person des Kindes (Personensorge ) und für das

Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

Die Personensorge umfaßt insbesondere das Recht

und die Pflicht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu

beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestinunen

1631 Abs. 1 BGB). Die Erziehung umfaßt auch die

religiöse Erziehung (vgl. Gesetz über die religiöse

Kindererziehung vom 15. Juni 1921). Zur Personensorge

gehören etwa die Entscheidung über eine Einwilligung

in eine Heilbehandlung, die Bestimmung

des Umgangs und die Wahrnehmung schulischer

Angelegenheiten. Entscheidungen in beruflichen

Dingen werden heutzutage oft erst getroffen, wenn

das Kind bereits vollj ährig ist. Daher spielen sie im

Bereich der elterlichen Sorge keine so große Rolle

mehr wie früher.

http://kinderklau.blogspot.fr/




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen